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Der Landschaftswechsel vollzieht sich abrupt. Die ersten Dünenzüge tun sich auf, begleitet von kleinen Kupsten die sich wie versteinerte Stalagmiten rechts und links der Piste aufwerfen. Die hohen roten Sanddünen rücken rasch näher und es gibt kein Halten mehr, wir springen wie die Kinder aus dem Wagen und staunen mit offenem Mund. Jeder von uns kennt die Motive aus zahllosen Bildbänden und Fotokalendern, aber die Dünen hier in Libyen sind unbeschreiblich viel schöner, jetzt, wo wir sie mit eigenen Augen sehen.
Ich stelle Vergleiche zu bekanntem an und denke "dagegen ist Ksar Ghilan in Tunesien ein Sandkasten". Nun geht es wie beim Surfen über Sandbergkämme. Mit Vollgas die Hartsandseite hinauf und "huiiiiii" die Weichsandseite hinunter. Landy muss ganz schön schuften. An einer erneuten Steigung ist dann entgültig Schluss. Die Luft muss aus den Reifen. Wir versuchen es mit hinten 1,5 bar und vorne 1,0 bar.
Pünktlich zum Sonnenuntergang erreichen wir eine Oase mit einem von Palmen umringten kleinem Teich, das Nachtlager! Das Grün ist umgeben von steilen Bergen aus rotem Sand. Die höchsten Gipfel sind geschätzte einhundertfünfzig Meter hoch. Ich setzte mir in den Kopf einen der Gipfel zu besteigen, um von dort aus die untergehende Sonne zu beobachten. Ein mutiges Unterfangen, denn der Schatten wandert schneller als ich laufen kann. Stefan folgt mir, natürlich mit Kamera. Wir kommen nur schwer voran, da wir uns immer am Kamm entlang im Weichsand halten. Knapp unterhalb des höchsten Punktes verlassen uns beide die Kräfte. Wir fallen gerade noch rechtzeitig in Position, um die rote Glut hinter dem Horizont versinken zu sehen. Lange danach bestaunen wir noch immer den Farbwechsel am Himmel. Bevor wir uns an den Abstieg begeben, sehen wir noch eine Weile den winzigen Figuren an den Spielzeug-großen Autos am Fuß der Düne zu.
Die 50 Dünenkilometer die wir nun vor uns haben sind definitiv das Highlight der Tour Ghadames - Ghat. Stefan kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus, während mein Magen bei meinem Versuch zu Schaden kommt, gleichzeitig eine Digitalkamera zu bedienen, das GPS im Auge zu behalten und die Spuren zu lesen. Dennoch sind wir beide tieftraurig als Farage nach einer weiteren Hügelkette die Parole ausgibt: "gonflet les pneus!". Wir packen unsere Handpumpe aus und pumpen mit Jays Kompressor um die Wette. Am Ende gewinnen wir das Rennen! Die Franzosen vertreiben sich die Zeit mit "Mülltüten-Sandhang-Rutschen". Die nächsten Kilometer fahren wir durch eine Art Vulkanlandschaft. Das Gestein sieht aus, als wäre die Lava gerade erst fest geworden. Garstig spitze Steine warten darauf die Reifen eines unkonzentrierten Fahrers hinterlistig aufzuschlitzen. Die ausgefahrene Piste ist gelegentlich von schwefel- und eisenhaltigen Spuren durchsetzt. In der Entfernung tauchen immer wieder rote Sandriesen auf. Das Wechselspiel von zerklüftetem Fels und rotem Sand ist bizarr. Wir verbringen eine weitere Nacht zwischen den roten Riesen. Da Stefan endlich unseren Besen findet, herrscht zumindest zum Schlafen im Auto wieder sandfreie Zone. Die letzte Etappe bis Ghat besteht zum größten Teil aus Piste: Wellblech, Schotter und Sand wechseln sich ab. Das Fahren erfordert Konzentration, vor allem weil Farage wieder ein mächtiges Tempo vorlegt. Die Atmosphäre ist heute etwas surreal, da durch kräftige Stürme die Luft sandgeschwängert ist. Das Sonnenlicht bricht sich daran und es wirkt wie "Gewitterstimmung". Nach 472 Kilometern Trail erreichen wir wehmütig die Teerstraße. Eigentlich sind es nur noch Asphaltbrösel. |
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Allerdings entschädigt uns auch hier die Landschaft. Schroffe Felsen bringen skurile Formen hervor. Dem Rheinländer drängt sich die Vorstellung von Festungen auf. Auf einem Bergrücken scheint sogar die Sphinx zu thronen. Von Osten her erobern Dünengürtel Stück um Stück die Straße. Irgendwann werden sie auch die Telegraphenmasten unter sich begraben
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weiter mit Ghat | |||
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Libyen in Afrika |